"Gestern habe ich auf dem Fernseher ein Kinderweinen gehört und mir wurde schlagartig klar, dass ich niemals die Stimme von unserem Kind und nie sein Wesen kennenlernen werde. Ich bin seither so wütend und zornig! Und ich hab mich sogar dabei erwischt, dass ich auch auf unser Baby so wütend bin, dass es einfach wieder gegangen ist! Und dann fühle ich mich so schuldig und mache mir selbst und meinem Körper so große Vorwürfe, es nicht geschafft zu haben, und all diese Gedanken zermartern mich und ich hab mich vorhin das erste Mal in meinem Leben gefragt, ob es so etwas wie Bestrafung gibt... Das alles macht mich einfach nur fertig."
Sternenmama, zwei Wochen nach der stillen Geburt ihres Babys in der 40. Woche
Liebe Sternenmama,
oh ja, ich kenne diese Wut und den Zorn, der ganz unvermittelt in einem hochsteigt und der sich in manch verzweifelten Situationen sogar gegen meine Zwillinge gerichtet hat. Wie konnten sie nur wieder umdrehen, wo ich mich doch so sehr auf sie gefreut hatte?! Wo wir doch diese so tiefe Verbindung zueinander hatten, schon VOR der Schwangerschaft und dann vor allen Dingen auch während dieser Zeit, als die zwei endlich auch körperlich eins mit mir waren. Wie konnten sie mich einfach wieder verlassen? Ich war so sauer und wütend und ich tobte und schrie innerlich – und manchmal auch äußerlich, weil dieser Schmerz so groß war!
Doch immer wieder, nach jedem dunklen Loch des Zweifels, in das ich hineinfiel, kam irgendwann ein viel helleres Licht, das mich umfasste und schließlich vollends erfüllte, und ich war mir in diesen heiligen Momenten bis in die letzte Faser meines Körpers sicher, dass Romy und Lenny mich nie verlassen haben, es nie tun werden, und wir für immer untrennbar verbunden, und EINS, sind. Diese Momente waren so viel „ehrlicher“, so viel „wahrhaftiger“ als die zuvor erlebte Wut und die Angst, die mir immer wieder einreden wollte, es könnte nun ja auch einfach für immer und ewig vorbei sein, oder es könnte ja sogar „eine Strafe“ gewesen sein, dass meine Kinder mich einfach wieder verlassen haben. Denn nein, unsere Liebesgeschichte ist auch heute, über 14 Jahre später nicht vorbei. Und "eine Strafe" ist dieses andere Leben meiner Zwillinge nie gewesen. Niemals. Im Gegenteil – Romy und Lenny schenkten sich mir im Laufe der Zeit so oft in so vielen anderen Dingen, in so so vielen anderen Dingen... 💖
Aber durch diese Wut musste ich hindurch gehen. Durch all die Gefühle meiner Trauer musste ich hindurch.
Denn nur das Fühlen all jener macht die Fülle und Tiefe meiner Herzenswelt aus, die ich heute in mir trage. Und im Zentrum all dieser leben sie - meine Zwillinge – als hellstes Licht, das sich ein Mensch nur vorstellen kann.
Ich weiß, es tut verdammt weh. Und es ist in Worten kaum auszudrücken, was du gerade durchmachst. Ich weiß, dass es einen fast den Verstand rauben kann, so zu fühlen. So viel zu fühlen. Und im nächsten Moment einfach nichts fühlen zu können.
Aber ich weiß auch, dass du es schaffen wirst, diese Gefühle zu durchleben. Ich weiß es.
Mit der Hilfe deines Sternenkindes wirst du das schaffen, und mit der Kraft deiner Liebe zu ihm.

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