Am Dienstagmorgen lag das erste Mal in diesem Jahr eine dicke weiße Schneeschicht auf der Wiese vor unserem Haus... Ich staunte beim verschlafenen Blick aus dem Schlafzimmerfenster, wie weit vorangeschritten das Jahr 2020 bereits ist und merkte dabei wieder einmal, wie unbemerkt und schnell die Zeitsandkörnchen unserer großen Lebenssanduhr von oben nach unten rieseln.
Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie schnell uns das Leben einfach so von Tag zu Tag weiterlebt und in manchen Momenten, so wie es an diesem Morgen einer war, lässt mich diese Vorstellung ganz sentimental und nachdenklich werden...
Eigentlich mag ich den Winter nicht so gerne - ich bevorzuge die warme Jahreszeit mit Sonnenschein und Badewetter. Ich persönlich bräuchte den Herbst mit seinen grauen Regenschauern und den Winter mit seinem typisch-deutschen Schneegematsche nicht unbedingt zum glücklich sein. Und dennoch, ich bin mir sicher, dass sich der liebe Gott etwas dabei gedacht hat, als er die vier Jahreszeiten erschaffen hat. Ich glaube, es steckt ein weitaus tieferer (Beweg-)Grund dahinter, als dass sich die Erde innerhalb eines Jahres einmal um die Sonne bewegt.
Meiner Meinung nach soll uns der Wechsel der Jahreszeiten immer wieder vor Augen führen, das nichts im Leben auf Dauer ist. Und dennoch bzw. sogar im gleichen Zuge, dass ALLES im Leben auf Dauer IST. Anders wird lediglich der Dinge äußerer Zustand. Das Wesentliche bleibt. Und zwar über alle Zeiten hinweg.
Der Baum wirft im Herbst seine Blätter ab und übergibt diese der Muttererde. Aus dieser ist er selbst entstanden, in dieser ist er selbst verwurzelt. Doch sind die Blätter wirklich "weg", wenn sie sich nicht mehr an den Ästen ihres Baumes festhalten können und davon fliegen? Lösen sie sich in Luft auf und hinterlassen nicht weiter als NICHTS? Oder bilden sie die Grundlage für Neues, schenken einen Nährboden, auf dem ein frischer Samen keimen kann? Dann, wenn die Zeit dazu wieder reif ist.
So wie der Baum, der im Winter auf dem ersten Blick all seine Lebenskraft verloren hat und kahl und schutzlos ohne wärmendem Blätterkleid dasteht, ist es auch manchmal mit uns Menschen. Zum Beispiel in Zeiten der Trauer… Der Baum aber hat keine Angst davor, dass es nun für immer so bleiben könnte, dass nun alles vorbei wäre. Er lässt sich nicht irren vom äußeren Schein der Dinge. Denn er ist verwurzelt. Er wird gehalten von tiefen Wurzeln, die ihm in Verborgenen mit Lebenskraft versorgen. Die Blätter, die er verloren hat, im Laufe vieler Jahre, im Laufe unzähliger wechselnder Zeiten, bilden nun seine nährende Grundlage und schenken ihm Halt, der ihn durch den kalten Winter trägt. Und wenn die Zeit reif ist, dann erobert der Baum sich das Leben zurück und überrascht uns mit wunderschönen kleinen Knospen und eine weitere Zeit später mit den prächtigsten Früchten.
Die Dinge sind so viel mehr, als sie auf dem ersten Blick vermuten lassen. Deswegen habe ich mir angewöhnt, immer einen zweiten oder auch dritten, vierten und fünften Blick zu riskieren und ich bin immer wieder glücklich, wenn ich ein kleines, wundervolles Lebensgeheimnis aufspüre, das sich hinter scheinbar alltäglich Wunderlosen kichernd versteckt hielt. Die meisten Alltagswunder freuen sich nämlich, wenn sie von uns aufgespürt werden!
Ich wünsche euch allen ein winterschönes Adventswochenende mit diesem besonderen Zauberblick hinter scheinbar Wunderlosem…
Eure Sandra
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