Da ich mich gerade auf ein Schreibprojekt einstimme, in dem es um Geschwistertrauer geht, stöbere ich mich durch die dicken Erinnerungsmappen meiner beiden Erdentöchter, in denen ich im Laufe der letzten Jahre all jene zauberhaften Situationen aufgeschrieben habe, die ich einfach niemals vergessen will.
So wie auch folgende Situation, die ich am 17.12.2017 in meinem Erinnerungstagebuch von Jona (damals fast 4 Jahre alt) festgehalten hatte:
"Abends im Bad beim Zähneputzen muss ich mit Jona schimpfen, weil sie sich in den Vorhang wickelt und daran zieht, bis der Haken an der Vorhangstange abgebrochen ist. Sauer bringe ich sie ins Bett. Als ich ihr einen Gute-Nacht-Kuss gebe, zieht Jona mich ganz fest zu sich herunter und sagt:
„Mama, weißt du, ich lieb dich fei auch, wenn du böse mit mir bist.“
Ich lächle und schmelze in meinem verrauschenden Ärger wegen der ollen Vorhangstange schon wieder vollkommen dahin.
„Ich lieb dich auch, Schatzi. Immer! Auch wenn ich mal mit dir schimpfen muss.“
Jona strahlt und schaut mir dann mit ihren blauen Augen mitten in die Seele. Nachdenklich sagt sie schließlich:
„Mama, weißt du... Das machen fei die Romy und der Lenny…“
Ich blicke sie fragend an, während mein Bauch ganz flatterig wird vor Liebe.
„Was machen die Romy und der Lenny, Schatzi?“
„Na, die machen immer was Gutes auf deinem Herz!“
Ich lache und küsse meine kleine Tochter noch einmal ganz laut schmatzend auf die Stirn, und noch einmal, und noch einmal…
Jona löst sich und ruft dann mit fester Stimme: „Mama. Die Romy und der Lenny. Die zeigen uns fei den Weg!“
DIE ZEIGEN UNS FEI DEN WEG?!?!?! Meine dreijährige Tochter sagt, abends beim Bettbringen zu mir, dass unsere verstorbenen Zwillinge uns den Weg zeigen??!???! Dass SIE UNS DEN WEG ZEIGEN???! Ich sitze hier, während ich das lese, und erinnere mich an diesen absolut zauberhaften Moment. Ja, sie zeigen uns den Weg…. Sie machen immer was Gutes auf unserem Herz. Ja, absolut JA! Aber, diese Wahrheit, diese gewichtige, so vielsagende Aussage, von meiner kleinen Tochter…?
Ich bin damals dann nach einem nochmaligen Gute-Nacht-Kuschelkitzelschmatzerkuss ins Wohnzimmer gegangen und habe die soeben erlebte, rührende Situation in Jonas Erinnerungstagebuch geschrieben. Als ich gerade fertig gewesen bin, rief Jona mich über das Babyfon. Ich legte den Stift beiseite und lief hoch in ihr Zimmer. Sie hatte sich ihr kleines rosafarbenes Blumennachtlicht angemacht und saß bereits wartend in ihrem Bett.
„Was ist los, Schatzi?“
„Mama, weißt du…“ (Sie hat damals fast jeden Satz so angefangen).
Ich kniete mich vor ihr Bett und blickte ihr aufmerksam in ihre müden Augen.
„Ja, Schatzi?“
„Mami, auch wenn die Romy und der Lenny so weit weg wohnen, sind die fei immer noch BEI UNS zuhause!“
Jona, meine Maus, damals 3 Jahre alt. So verbunden, so himmelsnah und gleichzeitig so geerdet. Jona hat so tiefe Wurzeln, so einen „festen Stamm“, sie ist so sicher und fest verankert und nimmt überall, wo sie ist, gleich ihren Raum ein, sie IST so DA, macht sich stets Raum, immer und überall, sie steht zu sich, ohne Zweifel, sie ist so ECHT. Und gleichzeitig ist sie trotz ihrer beiden Füßchen, mit denen sie SO FEST auf dieser Erde steht, noch so untrennbar mit dem Himmel verbunden! Sie steht in einer so wundervollen Verbindung mit allen Geschöpfen, mit Mensch und Tier, mit Engeln und göttlichen Wesen, sie lehrt mir so viel, und bestätigt mich in einer Erinnerung, die ich selbst aus verborgenen Kindheitstagen in mir trage, dieses Wissen, dass „alles gut ist“ und dass wir alle eins sind, dass es keine Trennung gibt, dass wir alle jederzeit behütet und geborgen und von Wundern umgeben sind…
Ja, unsere Sternenkinder, all unsere Verstorbenen, sind immer noch BEI UNS ZUHAUSE! Ja, sie sind da, sie umgeben uns, als Lichtwesen, in Form von leuchtender Energie, als pure Liebe, sie sind BEI UNS ZUHAUSE, immer! Und sie legen uns Gutes ins Herz!
Und das weiß sogar ein kleines Kind ;-)
Kinder sind Engel in Menschengestalt, und wenn wir ihnen zuhören, wenn wir ihnen WIRKLICH zuhören, nicht nur das, WAS sie sagen, sondern die Bedeutung dessen in all ihrer Tiefe entschlüsseln und aufnehmen, dann nehmen sie uns mit in eine Welt, die nur darauf wartet, dass wir sie endlich – ENDLICH- wieder wahrnehmen!
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