Der berührende Bericht einer Sternenmama über ihre ganz persönliche Erfahrung mit der Trauer
Vor wenigen Wochen, an einem regnerischen Tag im April, ging ich mit einer Sternenmama während unserer Trauerbegleitung ihren Trauerweg...
Beim Gehen durch das Trauerlabyrinth reflektierten wir gemeinsam ihren ganz ureigenen Weg der Trauer, der sie durch viele tiefe Täler, über Stolpersteine und Umwege direkt in ihr heiligstes Inneres führte, von wo aus sie wieder gestärkt und verwandelt den Weg zurück finden konnte: In ihr Leben, das trotz aller Umwege und Wendungen immer noch IHRES ist und das sie nun endlich wieder beginnt, zu lieben.
Diese Mama hat darüber einen Text geschrieben, und sie bat mich darum, diesen mit euch zu teilen:
Mein Weg durch die Trauer - oder meine vielen Wege durch das Tal der Trauer
Das erste Mal in meinem Leben, als ich mit dem Gefühl der Trauer in Berührung kam, war mit 10 Jahren - als mein Papa starb. Ich wurde in diesen Fluss hinein geworfen und musste lernen, zu schwimmen.
Als Kind ist die Trauer noch etwas leichter. Das Bewusstsein, dass der Mensch nicht mehr wiederkommt, ist noch nicht da. Man spürt es nur ganz leicht und noch nicht so grausam. Aber was ich dort gelernt habe war, dass man stark sein "muss". Dass man zwar mal weinen darf, aber trotzdem "muss" man da durch. Dass es viele Aufgaben gibt, wenn ein Mensch stirbt, die man alle machen "muss". Und dann vergisst man die Trauer ... Doch eigentlich unterdrückt man sie nur ... Man unterdrückt die Tränen, Tränen der Traurigkeit, Wut, Verzweiflung... Alles kommt mal hoch, aber es darf nicht bleiben... Was sollen denn die Leute denken?
Meine Trauer kam also immer mal wieder ans Licht. In vielen verschiedenen Situationen, aber so richtig ausgelebt habe ich sie nicht.
Viele Jahre habe ich so damit gelebt und mich damit arrangiert. Dann wurde ich schwanger.... Positive Gefühle mit vielen Ängsten, und dann der Worst Case. Mein Baby ist gestorben! Meine Welt bricht zusammen. Und setzt sich wieder neu zusammen - bald.
Diesen Weg der Trauer bin ich bewusster gegangen. Ich habe mich in das Tal der Tränen gestürzt und mich in der Traurigkeit gebadet. Ich habe Literatur über Sternenkinder studiert und im Internet nach Gleichgesinnten gesucht. Ich habe jeden Tag die Sonne gesehen, die mein Stern für mich leuchten ließ und nach einigen Wochen ging es bergauf, weil ein kleines Wunder in meinen Bauch eingezogen ist.
Da war die Trauer vergessen- nein, besser gesagt, sie wurde wieder verdrängt. Aber auch diese Schwangerschaft war mit vielen Ängsten verbunden und die Trauer hat sich zwischenzeitlich immer mal wieder in all ihrer Härte gezeigt. Aber diesmal hatte das Glück Vorrang und ich wurde beschenkt mit einem Erdenkind.
Es folgten Höhen und Tiefen... Die unterdrückte Trauer kam immer wieder hoch, aber sie wurde nicht beachtet... So das eine Depression die Folge war. Ich holte mir professionelle Hilfe.
Und dann hat uns das Schicksal mit großer Härte getroffen. Die Welt stand still... Und als sie sich weiterdrehte, war nichts mehr, wie vorher. Meine Mama ist ein Engel geworden. Die Trauer hatte keine Chance, sich zu zeigen. Zwischendurch war sie mal da - aber sie wurde unterdrückt, durch all die äußeren Umstände. Man musste so viel regeln, man musste sich um alles kümmern, man war allein... Es musste weitergehen, es ging auch weiter, einfach anders.
Die Trauer wurde klein gehalten, es lief ja alles gut. Therapie wurde gemacht für die Depression und Trauer... Aber es lief ja...
Ich wurde wieder schwanger. Die Gefühle fuhren Achterbahn. Auf und Ab von positiven und negativen Gefühlen. Ängsten und Hoffnungen... Das Schicksal meinte es nicht gut. Ein weiterer Engel wurde geboren - und die Trauer kam mit größter Wucht und überrollte mich. Ich versuchte, sie zu unterdrücken, sie klein zu halten, es "musste " doch einfach weitergehen! Aber diesmal ließ sie sich nicht aufhalten. Sie blieb und zerrte mich in die schlimmsten Gefühle, Depression und Ängste... Ich holte mir Hilfe, ich ließ immer mal die Gefühle zu, auch wenn sie mich überrollten. Und ich ging auf Reha - auch dort holte man die Trauer hervor und ich musste mich endlich mal diesem Gefühl stellen... Und dann ging es wieder bergauf.
Auf meinen Wegen gab es aber auch vieles Positive. Menschen, Momente und Dinge. Nach dem Tod meines Papas gab es nicht mehr viel, was ich als Erinnerung behalten konnte. Aber einen Pullover, den trage ich noch immer und denke an ihn. Auch wenn ich nicht mehr viel Erinnerung habe. Ich habe dort gemerkt, dass man als Familie zusammenhalten kann und Freunde auch etwas Wichtiges sind.
Nach dem Tod meines Sohnes haben sich viele Menschen von mir abgewandt. Freundschaften sind kaputt gegangen. Es gab Menschen, die mit diesem Schicksal nicht umgehen konnten. Aber es gab auch neue Türen, neue Begegnungen und neue Freundschaften. Menschen, die einen aufgefangen haben. Und die Sonne, die jeden Tag ein bisschen geschienen hat.
Auch nach dem Tod meiner Mama habe ich Ähnliches erlebt ... Es gab diese Momente, wo ich einfach wusste, dass sie immer noch da ist. Dass sie mich begleitet - uns begleitet, und auf uns aufpasst. Oft höre ich ihre Stimme und weiß sofort, was sie mir sagen will. Und hier auch wieder die Begegnung mit Menschen, die einem das Gefühl geben, nicht allein zu sein.
Und nach dem Verlust meiner Tochter war es ein noch größerer Schlag. Irgendwie konnte ich mich dem aber nicht hingeben. Niemand konnte mir erstmal helfen. Ich habe mir Hilfe gesucht und meine Trauerbegleiterin gefunden. Auch die Therapie lief weiterhin. Aber niemand ist so richtig an mich heran gekommen. Irgendwie war ich innerlich auch gestorben. Der Lebenswille war weg. Meine Therapeutin und auch Trauerbegleiterin sind nicht an mich ran gekommen, bis ich auf Reha kam und da kam mein Wille zurück.
Therapie läuft seitdem leider nur sporadisch...
Aber die Trauertherapie läuft super! Es gibt einfach Menschen, die in der dunkelsten Zeit der Trauer in dein Leben treten. Man hat das Gefühl, die Menschen bzw. Sternchen im Himmel haben sie geschickt - zum richtigen Zeitpunkt. Ich bin so unendlich dankbar dafür.
Und wenn ich jetzt zurückschaue, auf all diese Wege, bin ich stolz auf mich. Denn diese Wege waren immer ein Weg zu mir selbst. Ein Weg in ein anderes Leben, welches aber immernoch meines ist.
Und ich weiß, dass meine Engel uns begleiten, dass die Sonne scheinen wird, und dass das Glück nur in mir selbst wohnt."
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