Herbst, die Zeit des Rückzugs. Die Zeit der Trauer. Die Bäume verlieren ihr Blätterkleid, wirken nackt und zerbrechlich. Als trauernde Mama fühlte ich mich in dieser Jahreszeit am wohlsten. Passten die Regenwolken und das Grau doch so gut zu meinen eigenen Tränen.
Sommer, Sonne, Sonnenschein... Der Wonnemonat August. Die Sonne strahlt von einem blauen, wolkenlosen Himmel. Fröhliche Menschen, Eisverkäufer, kurze Kleider und Sonnenbrillen. Das Leben lacht.
Als meine Zwillinge im Hochsommer verstarben, tollten glückliche Mütter mit ihren quietschvergnügten Kindern in bunten Planschbecken in blühenden Gärten. Es gab keine einzige Wolke am Himmel, die die Sicht auf das Licht der Sonne versperrte. Menschen flanierten unbedarft durch Straßencafes und die bayerischen Sommerferien hatten ihren strahlenden Höhepunkt erreicht.
Wir fuhren von der Klinik nach Hause. Meine Babys in der Pathologie zurückgelassen. Unser großer Zwillingsstubenwagen im Wohnzimmer blieb leer. Ich schrie vor Schmerz, als ich unser leeres Zuhause erreichte. Ich fror. Alles kalt und dunkel. Ich war zerbrochen. Nackt und zerbrechlich wie ein kahler Baum im kältesten Winter.
Doch die Sonne da draußen schien weiter.
Der Tag der Beerdigung kam. Die Gräber lagen in hochsommerlich buntblühendem Idyll.
Wie kann heute die Sonne scheinen? Schwimmbadwetter?! Graue Wolken, Wind und Dauerregen... Das würde viel besser passen! Das brauch ich jetzt!
Aber so ist das Leben. Das ist die Krux der Trauer. Sie fragt nicht, wann sie kommen darf.
Die Welt dreht sich weiter. Die Erde umkreist weiterhin die Sonne. Der Mond umrundet weiter die Erde. Die Menschen gehen in Eisdielen. Väter bolzen mit ihren Söhnen auf grünen Räsen. Und Freundinnen trinken in der Nachmittagssonne ihren Sprizz.
Alles geht weiter. Egal, welche Jahreszeit es ist, wenn dein Kind stirbt. Egal, welches Wetter.
Irgendwann merkte ich, wie die Sonnenstrahlen mich wärmen können. Und ich reckte ihnen mein verweintes Gesicht entgegen. Wenn Tränen auf den Wangen trocknen, fühlt sich das so besonders an. Die Haut spannt so kitzelig im Gesicht an der Stelle, wo sie zuvor von den Tränen noch nass war. Kennt ihr dieses Gefühl? Ich mache Grimassen, um die Haut mit den getrockneten Tränen zu spannen. Das kribbelt. Ich mag das. Ich wische meine Tränen nie wieder weg.
Am blauen Himmel kann man weiße Babywolken sehen. Wie kleine Wattebäusche können sie Herzchen formen. Als süßer Gruß meiner beiden Engel? Und die Sonnenstrahlen bilden Regenbögen im Spätsommerregen.
Das Leben ist bunt.
Und meine Trauer?
Wie geht es dir im Sommer, im Herbst, in der Sonne und bei Regenwetter?
Was macht das Wetter mit deiner Trauer?
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